
EDITORIAL

LIEBE LESERIN, LIEBER LESER
Friedrich von Bodelschwingh hat einmal seine geistig beeinträchtigten Kinder gefragt, warum Gott an Weihnachten auf unsere Welt kam. Nach langem Überlegen meldete sich ein Mädchen und antwortete: «Weil alles einen Knacks hat!»
Irgendwie ist überall der Wurm drin. Wir spüren das in diesen Tagen vielleicht deutlicher als auch schon. Nicht zuletzt die zahlreichen Probleme im Zusammenhang mit dem kleinen Virus laugen aus, machen müde und vielerorts liegen die Nerven blank. Man ist ferienreif, doch Wegfahren bringt wenig. Lange hat sich das Konzept einigermassen bewährt, den Moment mit Aktivität, mit Schönem zu füllen. Nun greift es nicht mehr. Für kurze Zeit mag es hell sein, doch nach dem Ausblasen der letzten Kerze ist es wieder dunkel um und in uns. Bohrende Fragen, ob und wann es besser wird, kriegen wir nicht mehr so leicht zur Seite geschoben.
«Ist halt so, pass dich den neuen Gegebenheiten an, finde zu mehr Resilienz», schlussfolgern viele aus dem Lauf der Geschichte. Doch irgendwie passen unsere Sehnsüchte nicht so richtig dazu, denn wir wissen, dass sie unerfüllt bleiben: Gesundheit, Ehrlichkeit, Liebe, Treue – ein Leben ohne «Knacks» hält sich hartnäckig im Herzen. Aber der Alltag sieht anders aus. Wir wollen Verlässlichkeit, aber auf uns ist kein Verlass. Wir jagen der Gesundheit hinterher und sterben doch, versuchen zu veredeln, aber neu wird nichts. Sprüche wie «nicht perfekt, aber einzigartig» sind Versuche, dem Ganzen die Schwere zu nehmen, sich besser zu fühlen. Man könnte die Latte tiefer legen, doch auf unserer DNA scheint bei diesen «Grundwerten» eine Nulltoleranz eingebaut. Wir lieben das Unversehrte, Ganze – das Gute, Vollkommene.
Das eingangs erwähnte Mädchen hat nicht nur das Problem, sondern auch dessen Lösung erkannt. Damit ist sie vielen intellektuell gebildeteren Zeitgenossen voraus, denn diese tiefe Wahrheit erkennt nur das aufrichtige Herz. Uns selbst überlassen gibt es keine Möglichkeit, dass wir jemals das sein oder die Dinge tun könnten, wofür wir erschaffen wurden. Wir sind nicht nur auf tragische Weise in die Sünde verstrickt und deshalb vor dem heiligen Gott schuldig, wir sind auch völlig unfähig, uns selbst zu helfen. Immer wieder scheitern wir an unseren Vorsätzen, liebevoll, geduldig, selbstlos, ehrlich mit dem Ehepartner, den Kindern oder Freunden zu sein. Jeder verfehlt Gottes Massstab und verdient seine Strafe. Eine Beziehung zu ihm steht ausserhalb unserer Reichweite. Im Quervergleich scheinen wir passabel wegzukommen, darin liegt die Tragik. Denn wer den Ernst seines Zustandes und die Unfähigkeit, ihn zu verändern, nicht begreift, für den ergibt das Kommen, Sterben und Auferstehen Jesu keinen Sinn. Weil wir überhaupt keine Chance haben, uns selbst zu retten, brauchen wir einen Retter. Unsere einzige Hoffnung liegt in Gott, der sich in seiner erlösenden Liebe und wunderbaren Gnade auf uns zubewegt und tut, was wir nicht für uns selbst tun können. Er sandte seinen Sohn Jesus Christus, der sich allen Versuchungen aussetzte, aber nicht fiel, der vollkommen gehorsam war und bereitwillig die Strafe trug, die ich und Sie hätten tragen müssen. Alles, was Jesus tat, tat er als unser Stellvertreter, alles was er tat, tat er aus Liebe für uns – ein vollkommenes Werk. Er hat für mich Gerechtigkeit vor dem Vater gewirkt. Damit hat er jedem Menschen den Weg zu einer ewigen Beziehung zu Gott geöffnet. «Jesus befreite all diejenigen, die durch Todesfurcht ihr ganzes Leben hindurch in Knechtschaft gehalten wurden», steht im Hebräerbrief Kapitel 2 Vers 14. «So werden durch den Gehorsam des Einen (Jesus), die vielen (Sünder) zu Gerechten gemacht» (Röm. 5,20 b).
«Das Leben, das wir nicht leben konnten, das lebte Er für uns. Der Tod, den wir hätten sterben müssen, den starb Er für uns. Das neue Leben, das wir brauchen, das schenkt Er uns» (P. Tripp).
Wenn diese herrlichen Aussichten kein Grund zum Feiern sind! Ewiges Leben, vollkommen gemacht, keinen Knacks mehr! Durch seine Wunden sind wir heil geworden.
Ich wünsche Ihnen eine frohe Adventsund Weihnachtszeit, weil Jesu Gegenwart jede Dunkelheit vertreibt.
Herzlich, Ihre
