
EDITORIAL

Liebe Leserin, lieber Leser
In Afghanistan sind rund eine Million Menschen von Drogen abhängig. Krieg, Ungerechtigkeit, Gewalt, Armut und fehlende Perspektiven lassen die Afghanen in Scharen zu Betäubungsmitteln greifen. Mehr als 700 000 Drogenabhängige haben keinen Zugang zu medizinischer Versorgung. Ihr Leben ist ein Sterben in Raten. Alle selber schuld? In Zürich gibt es ein Akutspital, wo man Drogenabhängigen, Obdachlosen, Gestrandeten und Gescheiterten hilft. Sollte man diese Menschen, die manchmal wie Kleinkinder gefüttert werden müssen, sich selbst überlassen – sind alle selber schuld? Weltweit leidet eine Milliarde Menschen an Hunger. Es fehlt ihnen an Kleidung, an Obdach. Sind alle selber schuld, hat das mit uns nichts zu tun? Ich kann Armut nicht mit einer Formel definieren. Aber ich weiss, dass es arme Menschen gibt und dass der Gott der Bibel die Armen ganz besonders im Blick hat. Kann es sein, dass Armut, Gerechtigkeit und Glaube einen Zusammenhang haben, den wir neu begreifen müssen? Anregungen dazu finden Sie in unserem Dossier.
«Wer sich des Armen erbarmt, der ehrt Gott.»
Sprüche 14,31 b
Jesus war in seiner Heimatstadt Nazareth. Am Sabbat ging er in die Synagoge. Dort stand er auf, um aus dem Wort Gottes vorzulesen. Ihm wurde die Buchrolle des Propheten Jesaja gereicht. Jesus rollte sie bis zu einer ganz bestimmten Stelle auf: «Der Geist des Herrn ruht auf mir, denn der Herr hat mich gesalbt. Er hat mich gesandt mit dem Auftrag, den Armen gute Botschaft zu bringen, den Gefangenen zu verkünden, dass sie frei sein sollen, und den Blinden, dass sie sehen werden, den Unterdrückten die Freiheit zu bringen, und ein Jahr der Gnade des Herrn auszurufen» (Luk. 4,18 und 19 NGÜ). Dann gab Jesus die Schriftrolle zurück, setzte sich und sagte zur gespannt wartenden Runde: «Heute hat sich dieses Schriftwort erfüllt. Ihr seid Zeugen» (V. 21). Der 700 Jahre zuvor angekündigte Messias war gekommen und er hatte sein Lebensprogramm zitiert: Armen gute Botschaft bringen, Gefangenen und Unterdrückten Freiheit verkündigen, Blinde sehend machen. Nach diesem Aktionsprogramm leben auch seine Nachfolgerinnen und Nachfolger, wobei sie das Wesentliche hochhalten: Der Frieden mit Gott hat Priorität. Die Erlösung zum ewigen Leben ist ein Gnadengeschenk aufgrund von Glauben an Jesus Christus. Armut und Unzufriedenheit sind nicht zu verwechseln! Spurgeon meinte, die Armen seien bei einigen Dingen sogar besser dran als die Reichen: «Denn wenn ein Armer sich Speise für seinen Hunger zu suchen hat, so ist es wahrscheinlicher, dass er zu seinem Ziel gelangen wird, als der Reiche, der sich Hunger sucht für seine Speise. Der Tisch des Armen ist schneller gedeckt.» Die biblische Weisheit sagt: «Besser wenig mit der Furcht des Herrn als ein grosser Schatz, bei dem Unruhe ist» (Sprüche 15,16). Doch dies entbindet uns nicht vom Auftrag, Armen zu helfen, zu teilen – und dabei selbst genügsamer zu werden. So wie jemand sagte: «Etwas Holz genügt, um meinen kleinen Ofen zu heizen, warum soll ich darüber murren, dass ich nicht alle Wälder besitze?»
Herzliche Grüsse, Ihr Rolf Höneisen