

EDITORIAL
LIEBE LESERIN, LIEBER LESER
Krisen haben es an sich, ungefragt in das Leben zu platzen. Betreffen sie uns nur indirekt, sozusagen am Rande, scheinen wir damit noch einiger massen klarzukommen. Doch brechen sie in unser wohlgeordnetes Dasein, steht plötzlich alles Kopf und wir realisieren: Damit sind wir restlos überfordert. Ohnmacht – bleierne Hilflosigkeit legt sich auf die Seele. Zu gerne würde man den Film zurückspulen und den Fortgang der Geschichte neu schreiben. Wir können oder wollen nicht mehr. Keine Kraft, keine Perspektive, freudlos.
Da ist eine gläubige Freundin, deren Mann eben die Diagnose ALS erhalten hat. Bereits machen sich Symptome bemerkbar. Den Schrecken dieser Krankheit negieren? Dafür weiss ich zu viel, mein geliebter Paps musste da durch.
Die Liste mit «Hiobsbotschaften» im Freundeskreis setzt sich fort:
- Wegen Corona hat er die Arbeitsstelle verloren und mit 56 Jahren kaum noch Chancen auf dem Arbeitsmarkt.
- Eine Familie kämpft täglich ums Überleben des schwerbehinderten Kindes.
- Dann der Zeitgeist der Postmoderne, der schon im Kindergarten durchschlägt und Eltern ängstigt: «Mami, heute hat Mirco gesagt, er fühle sich als Mädchen, wir sollen ihn nun Nina nennen» (lesen Sie dazu den Artikel ab Seite 40 «Das dualistische Denken der Postmoderne»).
- Der über 90-jährige Vater einer Freundin, erblindet, schwach, im Altenheim. Vor Kurzem starb seine geliebte Frau. Dazu kommen Tag und Nacht Schmerzen, jedes Aufstehen ist ein Kraftakt. Besuche sind nur mit Abstand in der Cafeteria möglich. Keine Umarmung oder etwas Privatsphäre mit den Kindern, um zusammen zu beten. Dann die Nachricht, dass er auch an Weihnachten nicht zu seinen Kindern darf – wegen Corona. So auf das Ende warten? Ein Leben lang hat er auf den Herrn vertraut und andere in der Nachfolge Jesu ermutigt. Die Sehnsucht, heimgehen zu dürfen, wird immer grösser.
«Gib alles – nur nicht auf!» Was soll der Titel dieses Heftes? Ein flapsig daher gesagter, reichlich unüberlegter «Rapple-dich-auf»-Slogan? Strecke dem Schicksal die Faust entgegen, mit Kampfgeist und der Haltung: Dir zeig ich es, du kriegst mich nicht klein? Nein, das ist damit nicht gemeint! Es wäre viel zu billig und auch falsch. Wie aber dann mit der notvollen Situation umgehen? Wie daran nicht verzweifeln?
«‹Ich bin bei dir!› Dieses Versprechen Jesu sind keine leeren Worte.»
Das nebenstehende Lied ist eines meiner Lieblingslieder. Ich wünschte mir, es würde einmal an meiner Beerdigung gesungen: «Ich bin bei dir!» Dieses Versprechen Jesu sind keine leeren Worte, sie bringen Ruhe und Freude in jeden meiner Stürme. Daran muss ich mich erinnern, Ihn im Blick behalten und mich in die Gemeinschaft mit Ihm flüchten. Wieder neu kann ich von ganzem Herzen beten: «Du, Herr, bist alles, was ich habe; Du gibt mir, was ich zum Leben brauche. In deiner Hand liegt meine Zukunft. Die Messschnüre sind mir gefallen auf liebliches Land; ja, mein Erbteil gefällt mir» (Ps. 16,5–6).
Berührt haben mich in dem Zusammenhang die Worte Jesu aus Johannes 15,9: «Wie mich mein Vater liebt, so liebe ich euch auch. Bleibt in meiner Liebe!» Es lohnt sich, über diesen Vers nachzudenken. Wie liebt Gott seinen Sohn? Wie sieht die Beziehung zwischen ihnen aus? – Sie ist vollkommen! So liebt Jesus Sie und mich! Unfassbar, aber es macht mich tief dankbar und gewiss: Bei ihm bin ich niemals vergessen. Eines Tages werde ich sehen, dass alles, auch das Unverstandene, ein Weg zu ihm war. Bis dann möchte ich ihm mit meinem Leben danken, indem ich ihm vertraue, auch im Leid, in Tränen und im Schmerz.
Günter leidet an Krebs – ein beschwerlicher Weg. Im Interview erzählen er und seine Frau Gabi, wie sie mit Krankheit, Abschied und Tod umgehen und die Hilfe Gottes im Angesicht des Todes erfahren.
Kürzlich durfte ich an der grössten aller Freuden teilhaben. Dieses Erlebnis möchte ich Ihnen nicht vorenthalten. Eine meiner Freundinnen ist Krankenschwester. Sie war in grosser Besorgnis um einen Corona-Patienten, einen alten, pensionierten Arzt. Wir beteten gemeinsam für ihn. Seine Angst vor dem Sterben war allen Pflegenden bekannt.
«Könntest du zu Herrn M. gehen, um mit ihm zu beten?», fragte eine Kollegin meine Freundin, als diese nach ihren Freitagen zurück auf die Station kam. Schon die Woche zuvor hatte sie die Gelegenheit, mit dem Schwerkranken und seiner Frau ein längeres Gespräch über Jesus zu führen.
Der Patient war sichtlich erfreut über ihr Kommen. Noch einmal sprach meine Freundin davon, wie Jesus sie frei gemacht hat von Sünde und Schuld, und sie nun sicher sein darf, Gottes Kind zu sein. Auf ewig verbunden mit IHM.
«Herr M., es gibt keine Abkürzung, es führt kein Weg an Jesus vorbei. Er ist der Weg, die Wahrheit und das Leben – nur Er! Glauben Sie das?» Sie konnte den Kampf, der in dem Mann tobte, förmlich spüren.
«Ich habe in meinem Leben so viel Schuld auf mich geladen», gestand er traurig. Die Selbstsicherheit vergangener Tage war dahin.
«Möchten Sie es Jesus bekennen und ihn als Erlöser annehmen?» Da beugte sich der einst so stolze Mann demütig vor Jesus, bekannte ihm seine Schuld und nahm in grosser Dankbarkeit das Geschenk Gottes an.
«Haben Sie nun Frieden?», fragte sie ihn. «Ja», kam es überzeugt. Meine Freundin drückte ihm die Hand und ging leise zur Tür. «Kommen Sie nochmals zu mir, bevor Sie heimgehen?», wollte er wissen.
Als sie später bei ihm hereinschaute, schlief er ruhig – anders als die Tage zuvor. «Wir sehen uns wieder», dachte sie. «Wenn nicht hier auf Erden, dann im Himmel.»
Was für eine wunderbare Hoffnung für Kinder Gottes!
Herzlich, Ihre
