
editorial

LIEBE LESERIN, LIEBER LESER
Hat da jemand Gleichgewichtsprobleme, ist schwach, krank oder verunsichert? Oder ist er unfähig, das Leben selbst zu meistern? Ja und nein!
König David, der Verfasser dieses Psalms, ist ein lebenserfahrener Mann, reich, mit einer grossen Gefolgschaft an Dienern und Beratern. Sein Gebet, Gott möge seine Tritte in die seinen senken, passt so gar nicht in die Vorstellung mancher Zeitgenossen. Sie ordnen den Glauben, ein Leben in der Abhängigkeit Gottes, denen zu, die eine «Krücke» brauchen, die unfähig sind, dem Gegenwind mit eigener Stärke zu begegnen.
Der Mensch ist ein Meister an Selbstüberschätzung, überzeugt, ein Fels in der Brandung zu sein oder ein fest verankerter Pfahl, den nichts zu Fall bringen kann. Im Leben jedoch, auf sich selbst gestützt, wird der vermeintliche Fels zu einer Sandbank, die den Wassermassen nicht standhält, und der Pfahl zu einem dürren Halm, den der Wind mit Leichtigkeit knickt. Nicht so David. Durch die Gemeinschaft mit dem Allmächtigen war ihm mit jedem Tag mehr bewusst, wessen Führung er nötig hatte.
«Senke meine Tritte ein in deine Fussstapfen, damit mein Gang nicht wankend sei.»
(Psalm 17,5)
Immer wieder stehen wir Christen in der Gefahr, Gott manipulieren zu wollen, statt Ihm zu vertrauen. Wohl bitten wir Ihn, uns zu führen und zu leiten, gleichzeitig aber versuchen wir, den Höchsten auf unsere Schiene einzuspuren.
Neulich half mir meine dreijährige Nichte Nayla, den Tisch für die Gäste zu decken. An jeden Platz legte sie zwei Schokolade-Herzen. Zur Auswahl standen drei Farben. Eifrig ordnete sie immer zwei Herzen gleicher Farbe auf einem Teller an. Plötzlich hielt sie inne und fragte mich: «Daniela, würdest du immer zwei Herzen gleicher oder unterschiedlicher Farbe nehmen?» Ohne vom Kochen aufzusehen, antwortete ich: «Ich würde zwei verschiedene Farben nehmen.» Postwendend tönte es vom Tisch: «Weisst du was? Du kümmerst dich um deine Angelegenheiten und ich mich um meine!»
Ich versuchte meinen Lachkrampf vor ihr zu verbergen, denn sie hätte nicht einordnen können, weshalb ich Tränen lachte. Reflexartig hatte sie einen Spruch zum Besten gegeben – wohl einmal in einem anderen Zusammenhang aufgeschnappt –, der ihr Herz offenbarte. Sie war mit ihrer Frage gar nicht auf meine Meinung aus, sondern vielmehr auf eine Bestätigung ihrer Wahl.
Verfahren wir nicht oft genauso mit Gott? Wenn wir Ihn bitten, unsere Tritte auf seiner Spur zu halten, geht es natürlich nicht um so banale Dinge wie die Farbe von Schokolade-Herzen. In Liedern und Gebeten drücken wir aus, Gott solle unsere Kraft, unseren Verstand, unsere Zeit, unseren Besitz, unsere Beziehungen in seine Meisterhand nehmen und damit nach Seinem Willen verfahren. Doch manchmal sind wir noch beim Sprechen gedanklich mit der Verwirklichung unserer Pläne beschäftigt. Ist der Wunsch erfüllt, deuten wir es als Gottes Willen und verkünden, Er habe es so geführt. So sicher wäre ich mir da nicht immer.
Wenn der Wunsch Davids auch unser ehrliches Anliegen ist, werden wir mit ihm beten: «Erforsche mich, o Gott, und erkenne mein Herz; prüfe mich und erkenne, wie ich es meine; und sieh’, ob ich auf bösem Weg bin, und leite mich auf dem ewigen Weg» (Psalm 139,23+24).
Wenn wir uns eins machen mit Seinem Willen und auf Seinen Wegen gehen, werden unsere Tritte fest. Denn Er, der Herr selbst, wird unsere Stütze sein.
Herzlichst
